Handel mit Kräutermischungen (sog. «Legal Highs») unterfällt nicht der Strafbarkeit wegen gemeingefährlicher Vergiftung

Berlin, 11.05.2016

Wenn mal Legal Highs hört, denkt man nicht unbedingt an strafrechtliche Probleme…vor allen Dingen nicht an eine gemeingefährliche Vergiftung. Die Staatsanwaltschaft hat das jedoch anders gesehen und ist diesem Gedanken nachgegangen.

Was steht im § 314 Strafgesetzbuch (StGB) eigentlich?

§ 314 StGB – Gemeingefährliche Vergiftung

(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

  1. Wasser in gefaßten Quellen, in Brunnen, Leitungen oder Trinkwasserspeichern oder
  2. Gegenstände, die zum öffentlichen Verkauf oder Verbrauch bestimmt sind,

vergiftet oder ihnen gesundheitsschädliche Stoffe beimischt oder vergiftete oder mit gesundheitsschädlichen Stoffen vermischte Gegenstände im Sinne der Nummer 2 verkauft, feilhält oder sonst in den Verkehr bringt.

(2)…

Das Landgericht Kaiserslautern hatte jetzt über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Dem Angeklagten wurde unter anderem zur Last gelegt, sich einer gemeingefährlichen Vergiftung nach § 314 StGB strafbar gemacht zu haben, indem er ain dem von ihm betriebenen Ladengeschäft 20 verschiedene so genannte „Räuchermischungen“ welche synthetisch hergestellte Cannabinoidrezeptoragonisten enthalten, zum Verkauf bereit hielt.

Die Eröffnung des Verfahrens wurde im Hinblick auf § 314 StGB abgelehnt. Dabei sind die rechtlichen Ausführungen sehr interessant:

„Die Voraussetzungen von § 314 I Nr. 2 StGB seien nicht gegeben. Zwar handele es sich bei den hier in Rede stehenden Räuchermischungen um Gegenstände, die zum öffentlichen Verkauf bestimmt seien. Es handele sich daneben auch um gesundheitsschädliche Stoffe im Sinne der Norm. Solche seien feste, flüssige oder gasförmige Substanzen, die bei bestimmungsgemäßer Verwendung geeignet sind, nicht ganz unerhebliche Schädigung der Gesundheit herbeizuführen. Der Sachverständige Z habe hierzu ausgeführt, bei der Aufnahme in den Körper seien cannabisähnliche Rauschzustände zu erwarten. Darüber hinaus weise er auf die Möglichkeit heftiger Rauschverläufe und starker Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen, starker Herz-Kreislauf Belastung (Herzrasen, Blutdruck, Atemnot), Zittern und Krämpfe und komatöse Zustände hin. Die Symptome solcher Rauschverläufe reichen von Ohnmacht, Lähmungserscheinungen und Wahnvorstellung bis hin zum Versagen der Vitalfunktionen. Betroffene müssen künstlich beatmet oder sogar reanimiert werden. Es seien auch Todesfälle aufgetreten. Der Wortlaut des § 314 I Nr. 2 StGB erlaubt damit eine Subsumtion unter die Vorschrift. Jedoch verlange der Wortlaut nach überwiegender Auffassung eine einschränkende Auslegung: Solche Stoffe oder Gegenstände, die entweder ausschließlich aus Gift oder gesundheitsschädlichen Stoffen bestünden, oder ihrer Natur nach giftige oder gesundheitsschädliche Stoffe enthielten, unterfielen danach nicht dem Tatbestand. Dieser erfahre insoweit eine teleologische Reduktion. Der Sinn und Zweck der Vorschrift sei vor dem Hintergrund der Urangst zu sehen, Opfer eines zufälligen Giftanschlags zu werden. Die Vorschrift erfülle als Reflex auch den Zweck, das Vertrauen des Einzelnen in die Sicherheit des Konsums zu stärken. Ihre dogmatische Legitimation finde die beschriebene Einschränkung unter dem Gesichtspunkt des erlaubten Risikos und der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung. Letztlich solle die Regelung das Vertrauen in die Integrität des auf dem Markt erhältlichen Produktes und seiner Bestandteile sichern. Aus dieser Betrachtung ergebe sich, dass solche Gegenstände oder Stoffe nicht umfasst sein können, die aus sich heraus giftig oder gesundheitsschädlich sind. Eine an dem Wortlaut festhaltende Auslegung hätte ansonsten eine uferlose Weite zur Folge, nach der etwa auch alkoholische Getränke oder Tabakerzeugnisse erfasst wären. Um Stoffe, die aus ihrer Bestimmung heraus bereits gesundheitsschädlich seien, handele es sich aber gerade bei den hier vorliegenden Räuchermischungen. Sie seien nicht ein von vornherein in gesundheitlicher Hinsicht ungefährliches Produkt, welches danach vergiftet, oder mit gesundheitsschädlichen Stoffen vermischt oder vergiftet wurde, sondern ein Gegenstand, dessen Gesundheitsschädlichkeit seiner Produktion und der bestimmungsgemäßen Produktion geradezu innewohne. So seien ihnen von Beginn der Produktion an beispielsweise synthetische Cannabinoide zugesetzt. Eine nachträgliche Vermischung oder Zusetzung finde nicht statt. Diese Auslegung stehe schließlich auch in Einklang mit den Vorstellungen des Gesetzgebers. Der Problematik, dass immer neue chemische Varianten bekannter Betäubungsmittel und psychoaktiver Stoffe auf dem Markt erhältlich seien, die noch nicht in die Anlagen des BtMG aufgenommen worden sind, hat sich der Gesetzgeber mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe angenommen. Für die genannten Stoffe – zu denen auch Räuchermischungen gehörten – sehe der Gesetzgeber mit Blick auf die vorliegenden Regelungen eine „Regelungs- und Strafbarkeitslücke“, der mit „dringendem Handlungsbedarf“ zu begegnen sei. Die bisherigen Regeln des Strafrechts erfassen danach gerade nicht die Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe. Eine Strafbarkeit ergebe sich auch nicht aus Vorschriften des AMG.“

An diesem Fall kann man erkennen, mit welchen Einsatz die Staatsanwaltschaft den Legal Highs den Kampf erklärt. Allein die Subsumtion unter den Tatbestand seitens des Gerichts hat hier die Annahme einer Strafbarkeit wegen Vergiftung abgewendet.