Rauschzustand muss Berücksichtigung finden

Berlin, 18.03.2016

Das Oberlandesgericht Koblenz hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob 0,07 g Amphetamin als Betäubungsmittel i.S.d. Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) einzustufen ist, selbst wenn hiermit ein Rauschzustand beim Konsum nicht erzielt werden kann. Das Amphetamin wurde nämlich „nur“ als Anhaftungen an Konsumutensilien sichergestellt.

Im Ergebnis ordnen die Richter selbst diese Anhaftungen als Betäubungsmittel ein. Ein BTMG Verstoss ist aber nicht die logische Folge. Denn der Senat führt aus, dass es auf die messbare Wirkstoffmenge ankommt.

Der amtliche Leitsatz dazu lautet:

1. Die Betäubungsmitteleigenschaft eines Stoffes wird gemäß § 1 Absatz 1 BtMG allein durch seine Aufnahme in die Positivlisten der Anlagen I bis III begründet, ohne dass es zusätzlich einer konkreten Berauschungsqualität oder Konsumfähigkeit bedürfte. Die Betäubungsmitteleigenschaft geht erst dann verloren, wenn die Anhaftungen oder Rückstände nicht mehr zu einer messbaren Wirkstoffmenge zusammengefasst werden können.

2. Der Besitz von Betäubungsmittelutensilien mit Betäubungsmittelanhaftungen von so geringer Menge, dass sie für sich allein zum menschlichen Konsum nicht mehr geeignet sind, stellt keinen strafbaren Besitz an Betäubungsmitteln dar. Für eine Eignung zum Konsum genügt die Feststellung einer noch wiegbaren Betäubungsmittelmenge mit nachweisbarem Wirkstoffgehalt, die in konsumierbarer oder zumindest dahin übertragbarer Form vorliegt.

Diese Einschätzung ist zu begrüßen: Sinn und Zweck des verbotenen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln ist es, eine spätere Gebrauchsmöglichkeit und die damit verbundenen Gefahren für die Volksgesundheit zu verhindern. Deshalb begründet der Besitz von Betäubungsmittelutensilien mit Betäubungsmittelanhaftungen von so geringer Menge, dass sie für sich allein zum menschlichen Konsum nicht mehr geeignet sind, keinen strafbaren Besitz an Betäubungsmitteln.

Pauschal darf man das aber nicht als Freifahrtsschein verstehen, schließlich hat sich das Gericht intensiv mit dem Wirkstoffgehalt auseinandergesetzt und hier für den Einzelfall entschieden:

„Nach diesem Maßstab ist vorliegend strafbarer Betäubungsmittelbesitz gegeben. Die Betäubungsmittelanhaftungen waren – nicht nur für die Ermittlungsbehörden – abkratzbar und konnten zu einer einheitlichen Menge von 70 mg zusammengefügt werden. Der Besitzwille und das Besitzbewusstsein des Angeklagten sind in Anbetracht der Auffindesituation nicht zweifelhaft. Der Amphetaminbasegehalt der 70 mg betrug 21,6%, was etwa 15 mg Wirkstoff entspricht. In zusammengekratzter Form waren die 70 mg Amphetamingemisch ohne weiteres nasal oder oral konsumierbar, wenn auch durch die Aufnahme der enthaltenen 15 mg Amphetaminbase, die etwas weniger als ein Drittel einer Konsumeinheit von 50 mg ausmachen, ein Rauschzustand voraussichtlich nicht zu erzielen war.“